Die Lieder des Kabîr



Bengali Übersetzung aus dem Hindi von Kshiti Mohan Sen
Englische Übersetzung von
Rabindranath Tagore
Asssistiert von Evelyn Underhill. Credit für die Englische Übersetzung von Ajit Kumar Chakravarty.
Die Referenzen in den Liedern: Santiniketana, Kabîr by Sri Kshitimohan Sen, 4 parts, Brahmacharyasrama, Bolpur 1910-1911.

Deutsche Übersetzung Volker Doormann 


 

 

 

 

 

 

Kabîr Legende

Sein Vater Neeru war ein Muslime und von Beruf Weber. In der Zeit waren Rituale, religiöse Heuchelei, Kastentum, Unberührbarkeit und Falschheit höchst verbreitet. Eines Tages, als er die Illusion einer hohen Kaste aus dem Kopf der Brahmanen entfernen wollte, malte sich Kabîr ein safrangelbes Mal an seine Stirn und trug ein Baumwoll-Band, das Brahmanen tragen, um seinen Hals. In dieser Verkleidung begab er sich Narayan! Narayan! (Brahma! Brahma! ) singend auf den Weg zum Ganges-Fluß. Auf dem Weg traf er einen Brahmanen mit Namen Mukand. Er war ziemlich ärgerlich als er sah, daß Kabîr ein heiliges Band trug und dazu ein safranfarbiges Mal auf der Stirn. Er sagte: "Du bist ein Weber aus einer niederen Kaste. Du hast kein Recht die Zeichen der hohen Brahmanen-Kaste zu tragen."  

Kabîr antworte, "Du hast nur ein Band aus Baumwolle um Deinen Hals, wir aber haben einen Haufen von Bändern aus Baumwolle in unserem Haus. Ich webe täglich Kleider daraus. Du rezitierst nur Gayatri und die Veden mit Deinen Lippen, aber der Herr selbst ist auf meiner Zunge, in meinen Augen und in meinem Herzen. Oh, Mukand! Welche Antwort wirst Du geben, wenn Dich die Engel des Todes über Deine Taten befragen? Wir sind eure Kühe und Du der Hirte. Ihr Brahmanen solltet uns den Weg der Befreiung zeigen, aber ihr habt es nicht getan. Was seid ihr für Hüter? Ihr Brahmanen bettelt an den Türen der Fürsten und Könige. Obwohl ich ein Weber aus Kashi bin, ist mein Verstand doch vertieft in den Herrn, der jeden am Leben erhält. Lerne dies von mir. Vertiefe Dich in Sein Bewußtsein."

Mukand ging davon und erzählte anderen Brahmanen über das, was er mit Kabîr redete. Eines Tages sagten sie zu Kabîr: "Kabîr, Du solltest den Lehren der Brahmanen folgen, weil sie aus dem Mund von Brahma stammen, die untere Kaste der Shudras aber aus seinen Füßen."

Kabîr antworte: "In der Gebärmutter existiert keine Kaste. Alle Wesen sind die Essenz von Brahma. Oh, Lernende! Sagt mir, wann wurdet ihr Brahmanen. Vergeudet nicht eurer Leben an eine Brahmanin. Warum seid ihr nicht auf eine andere Weise geboren worden? Wie kommt es also, daß Ihr Brahmanen seid und und ich ein Shudra? Fließt in euren Venen Milch und in meinen Blut? Aus meiner Sicht ist nur der, der sich in die höchste Bewußtheit vertieft, ein Brahmane."

Die Brahmanen waren sehr wütend von Kabîr diese bittere Wahrheit zu hören. Eines Tages fesselten sie ihn und warfen ihn in den Ganges. Kabîr kam ohne Probleme wieder aus dem Fluß und sagte. "Ganges ist eine Göttin, tiefgründig und tief. Ich war gefesselt in Ketten in wurde in den Ganges geworfen. Mein Verstand blieb absorbiert in der Vertiefung des Herrn. Die Wellen des Ganges brachen meine Fesseln und setzten mich auf das Fell eines Hirsches. Der, der der Bewahrer des Landes ist, war der Retter im Wasser."

Die Brahmanen waren erstaunt Kabîr lebend aus dem Wasser heraus kommend zu sehen. Um Kabîrs Argumente zunichte zu machen, riefen sie den großen Gelehrten Pandit Sarbaijt. Dieser Überhebliche sagte zu Kabîr: "Du bist nur ein Weber. Welches Wissen kannst Du schon haben über den Herrn? "

Kabîr erwiderte: "Gott ist ein Weber, dessen Geheimnis niemand erkannt hat. Wenn ihr Brahmanen den Vedas und den Puranas zuhört, dann werdet ihr auch erkennen. Die Erde und der Himmel sind die gekrempelte Gebärmutter des Herrn. Die Sonne und der Mond sind seine zwei Transporter. Ich habe den Herrn erkannt."  

Als Sabaijt das hörte, wurde er still...




 

 1 I. 13. mo ko kahân dhûnro bande
OH DIENER, wo suchst Du mich? Hier! Ich sitze neben Dir.
Ich bin weder in einem Tempel zu finden, noch in einer Moschee:
Ich bin nicht in der Kaaba zu finden, noch im Berg Kailash:
Nicht in Riten oder Zeremonien, nicht im Yoga und nicht im Verzicht.
Wenn Du mich wirklich suchst, dann kannst Du mich immer sehen:
Du findest mich in dem kleinsten Haus der Zeit.
Kabîr sagt: "Oh Sadhu, Gott ist der Atem allen Atems."

2 I. 16. Santan jât na pûcho nirguniyân
ES ist unnötig einen Heiligen zu fragen welcher Kaste er angehört.
Der Priester, der Krieger, der Kaufmann und alle sechsunddreißig Kasten suchen in gleicher Weise nach Gott.
Aber es ist eine Torheit zu fragen von welcher Kaste ein Heiliger sei;
Der Barbier hat Gott gesucht, die Waschfrau und der Zimmermann.
Sogar Raidas war ein Gottsucher.
Der Rishi Swapacha war ein 'Unberührbarer' Tanner.
Hindus und Moslems haben in gleicher Weise das Ende erreicht, wo kein Zeichen eines Unterschiedes mehr bleibt.

3 I. 57. sâdho bhâî, jîval hî karo âs'â
OH mein Freund! Schau nach Ihm aus während Du lebst, erkenne während Du lebst,
Verstehe während Du lebst: um im Leben die erlösende Befreiung zu ertragen.
Wenn Deine Bindungen nicht gebrochen werden, während Du lebst, welche Aussicht auf eine erlösende Befreiung hast Du im Tode?
Es ist nur ein leerer Traum, daß die Seele sich mit Ihm vereinigen wird, weil sie dem Körper entkommen ist:
Wenn Er jetzt gefunden werden kann, dann kann Er auch dann gefunden werden.
Wenn nicht, dann gehen wir fort, um in der Stadt des Todes zu wohnen.
Wenn Du die Vereinigung jetzt hast, dann hast Du sie auch danach.
Bade in der Wahrheit, wisse den wahren Lehrer, habe Vertrauen in den wahren Namen!
Kabîr sagt: "Es ist die Laune der Suche, welche hilft;
Ich bin der Sklave dieser Laune der Suche."

4 I. 58. bâgo nâ jâ re nâ jâ
GEH' nicht in den Garten der Blumen!
Lieber Freund! Gehe nicht dorthin. In Deinem Körper ist ein Garten der Blumen.
Nimm Platz auf den tausend Blättern des Lotus und dort betrachte seine unendliche Schönheit.

5 I. 63. avadhû, mâyâ tajî na jây
SAG mir Bruder, wie kann ich mich lossagen von der Illusion?
Wenn ich mich löse von den Stirnbändern, so binde ich immer noch  mein Kleid an mich:
Wenn ich mich löse von meinem Kleid, so habe ich immer noch meinen Körper mit seinen Falten bedeckt.
Und wenn ich mich von der Leidenschaft löse, so sehe ich, daß Zorn verbleibt.
Und wenn ich mich vom Zorn lossage, ist Habgier immer noch in mir;
Und wenn die Habgier überwunden ist, verbleibt Stolz und Aufgeblasenheit;
Wenn der Verstand gleichgültig ist und die Illusion verwirft, klammert er sich immer noch an die Buchstaben.
Kabîr sagt: "Höre mir zu, lieber Sadhu! Der wahre Weg wird selten gefunden."  

6 I. 83. candâ jhalkai yahi ghat mâhîn
IN meinem Körper ist ein Mond, aber sehen kann ich ihn nicht! Ein Mond und eine Sonne.
Eine Trommel schlägt, von keiner Hand berührt, aber hören kann ich sie nicht!
Solange der Mensch sich darüber sorgt, daß er stirbt und was er besitzt, das seines ist, sind alle seine Mühen umsonst.
Wenn der Stolz des Ich's gestorben, samt dem was es besitzt, ist des Lehrers Arbeit zu Ende.
Der Zweck der Arbeit ist zu lernen; wenn Du erkannt hast, ist die Arbeit getan.
Die Apfelblüte hat ihr Sein um die Frucht zu schaffen; wenn sie da ist, fällt das Blütenblatt.
Der Moschus ist im Hirsch, aber der Hirsch beachtet es nicht: er wandert umher, um Gras zu suchen.

7 I. 85. Sâdho, Brahm alakh lakhâyâ
WENN Er selbst sich offenbart, bringt Brahma das in die äußere Erscheinung, welches niemals gesehen werden kann.
Wie der Same in der Pflanze ist, wie das Dunkle im Baume ist,
Wie die Leere im Himmel ist, wie unendliche Formen in der Leere sind -
So kommt das Unendliche von jenseits des Unendlichen und vom Unendlichen dehnt sich das Endliche aus.
Das Wesen ist Brahma und Brahma ist in dem Wesen: Sie sind immer getrennt, doch immer vereint.
Er selbst ist der Baum, der Same der Ursprung.
Er selbst ist die Blume, die Frucht und das Dunkle.
Er selbst ist die Sonne, das Licht und das Beleuchtete.
Er selbst ist Brahma, Wesen und Illusion.
Er selbst ist die mannigfaltige Form, der unendliche Raum;
Er ist der Atem, das Wort, der Sinn.
Er selbst ist die Grenze und das Grenzenlose:
Und jenseits beidem, dem Begrenzten und dem Grenzenlosen ist Er, das pure Sein.
Er ist die innewohnende Seele in Brahma und im Wesen.
Die höchste Seele ist im Inneren der Seele zu sehen.
Das Ziel ist im Inneren der höchsten Seele zu sehen und im Inneren des Zieles ist die Widerspiegelung abermals zu sehen. 
Kabîr ist glücklich, weil er diese höchste Sicht hatte!

8 I. 101. is ghat antar bâg bagîce
IN diesem irdenen Gefäß sind Lauben und Haine, und darin ist der Erzeuger:
In diesem Gefäß sind die sieben Ozeane und die unzähligen Sterne.
Der Prüfstein und die Juwelenschätzer sind darin;
Und in dieser Schale erklingt der Ewige und der Frühling quillt auf.
Kabîr sagt: "Hör' mir zu mein Freund! Mein geliebter Herr ist darin."

9 I. 104. aisâ lo nahîn taisâ lo
OH, wie könnte ich jemals ausdrücken, was die verborgene Welt ist?
Oh, wie kann ich sagen, Er ist nicht so oder Er ist so?
Wenn ich sage, daß Er in meinem Inneren ist, ist das Universum beschämt:
Wenn ich sage, daß Er außen von mir ist, ist es die Unwahrheit.
Er fügt die inneren Welten und die äußeren Welten in eine unteilbare Welt zusammen;
Das Bewußte und das Unbewußte, beide sind Seine Fußbänke.
Er ist weder offenkundig noch verborgen, Er ist weder offenbar noch nicht offenbar:
Es gibt keine Worte die das sagen, was Er ist.

10 I. 121. tohi mori lagan lagâye re phakîr wâ
FÜR Dich, der Du meine Liebe an Dich gezogen hast, Oh Fakir! 
Ich schlief in meiner Kammer und Du hast mich geweckt; erschrecktest mich mit mit Deiner Stimme, Oh Fakir!
Ich war in den Tiefen des Ozeans dieser Welt ertrunken und Du hast mich gerettet: Trugst mich mit Deinem Arm, Oh Fakir!
Nur ein Wort, kein zweites - und Du hast mich von allen meinen Bindungen gerissen, Oh Fakir!
Kabîr sagt: "Du hast Dein Herz mit meinem Herz vereint, Oh Fakir!"

11 I. 131. nis' din khelat rahî sakhiyân sang
ICH spielte Tag und Nacht mit meinen Kameraden, und nun bin ich sehr besorgt.
So hoch ist der Palast meines Herrn, mein Herz erbebt seine Stufen zu ersteigen:
Noch muß ich nicht scheu sein, wenn ich mich an Seiner Liebe erfreuen möchte.
Mein Herz muß an meinem Geliebten haften;
Ich muß meinen Schleier lüften und Ihm begegne ich mit meinem ganzen Körper:
Die meinigen Augen müssen die Zeremonie des Leuchtens der Liebe vollbringen.
Kabîr sagt: "Hör mir zu, Freund: Er versteht wer liebt.
Wenn Du nicht die Liebes-Sehnsucht fühlst für Deinen Geliebten, ist es nutzlos Deinen Körper zu schmücken, nutzlos Dir die Augenlider zu salben."

12 II. 24. hamsâ, kaho purâtan vât
ERZÄHLE mir Oh, Schwan, Deine alte Mär.
Aus welchem Land kommst Du, Oh Schwan?
Zu welchem Ufer wirst Du fliegen?
Wo machst Du eine Ruhepause,
Oh Schwan und was suchst Du?
Gerade an diesem Morgen, Oh Schwan, erwache, steige auf, folge mir!
Da ist ein Land, wo es keinen Zweifel und auch keine Sorgen gibt: Wo es den Terror des Todes nicht gibt.
Dort blühen die Frühlingswälder und der duftende Wohlgeruch "Er ist Ich" ist geboren im Wind:
Dort ist die Biene des Herzens tief hinein getaucht und sucht keine andere Freude.

13 II. 37. angadhiyâ devâ
OH Herr, der Du aus Dir selbst existierst, wer wird Dir dienen?
Jeder Gläubige bietet Gott seine Verehrung an für die Wesen, die er schuf:
Jeden Tag empfängt er Diener -- Keiner sucht Ihn, den Vollkommen: Brahma, den Unsichtbaren Herrn.
Sie glauben an zehn Wesen, die herabgekommen sind; aber kein Avatar kann der unendliche Geist sein,
Denn er erleidet die Wirkungen seiner Handlungen: Der Höchste muß anders sein als diese.
Der Yogi, der Sanyasi, der Asket, einer streitet mit dem anderen:
Kabîr sagt: "Oh Bruder! Der, der das Strahlen der Liebe gesehen hat, ist befreit".


14 II. 56. dariyâ kî lahar dariyâo hai jî
DER Strom und seine Wellen sind eins.
Brandung: Wo ist der Unterschied zwischen dem Strom und seinen Wellen?
Wenn die Welle sich erhebt, ist es das Wasser;
Und wenn sie fällt, ist es wieder dasselbe Wasser.
Mein Herr! Sage mir, wo ist der Unterschied?
Nur weil es Welle genannt wird, soll es nicht länger für Wasser gehalten  werden?
Im Inneren des höchsten Brahma sind die Welten wie Perlenketten:
Schau auf diese Perlen mit den Augen der Weisheit.

15 II. 57. jânh khelat vasant riturâj
WO ist der Lenz, der Herr, der Jahreszeiten regiert,
Dort erklingt die ungespielte Musik aus sich selbst,
Dort strömen die Strahlen des Lichts in alle Richtungen;
Wenige sind der Menschen, welche dieses Ufer überqueren!
Dort, wo Millionen von Krishna's stehen mit gefalteten Händen,
Wo Millionen von Krishna's ihr Haupt beugen,
Wo Millionen von Brahma's die Veden lesen,
Wo Millionen von Shiva's versunken sind in Meditation,
Wo Millionen von Indra's im Himmel wohnen,
Wo die Halb-Götter und die Muni's ungezählt sind,
Wo Millionen von Sarasvati's Göttinnen der Musik auf der Vina spielen -
Dort ist mein Herr selbst offenbart:
Und der Duft von Sandelholz und Blumen diese Tiefen bewohnen.

16 II. 59. jânh, cet acet khambh dôû
ZWISCHEN den Polen des Bewußten und des Unbewußten schaukelt der Verstand:
Daran hängen alle Wesen und alle Welten und dieses Schaukeln nimmt kein Ende.
Millionen Wesen sind dort: Die Sonne und der Mond in ihren Bahnen sind dort:
Millionen Zeitalter zieh'n vorüber und das Schaukeln geht weiter und weiter.
Alles schaukelt! Der Himmel und die Erde, die Luft und das Wasser; und der Herr selbst nimmt diese Form an:
Dies zu sehen macht aus Kabîr einen Diener.

17 II. 61. grah candra tapan jot varat hai
DAS Licht der Sonne, des Mondes und der Sterne strahlen hell:
Die Melodie der Liebe erklingt und der Rhythmus der losgelösten Liebe schlägt den Takt.
Tag und Nacht erfüllt der Chor der Musik alle Himmel,
und Kabîr sagt: "Mein einziger Geliebter leuchtet wie ein Gewitterblitz am Himmel."

Weißt Du wie Bedeutungen ihre Verehrungen erfahren?
Seine Lichterreihe schaukelnd singt das Universum seine Verehrung.
Dort ist die verborgene Schrift und das geheime Dach darüber.
Dort ist der Klang der unsichtbaren Glocken zu hören.
Kabîr sagt: 'Dort, wo die Verehrung niemals endet, dort sitzt der Herr des Universums auf seinem Thron'.

Die ganze Welt macht ihre Arbeit und macht ihre Fehler, aber nur wenige sind die Liebenden, die den Geliebten kennen.
Der innige Sucher ist der, der in seinem Herz den zweifachen Strom aus Liebe und Losgelöstheit vermengt, wie die beiden Ströme Ganges und Jumna sich vermengen.
In seinem Herzen fließt das heilige Wasser Tag und Nacht und so endet der Kreislauf von Leben und Tod.
Sieh doch die wundervolle Ruhe, sie ist die höchste Bewußtheit!
Und es erfreut Ihn, wenn jemand selbst dieser Ruhe begegnet.
Gehalten durch das Band der Liebe schwingt der Ozean der Freude hin und her:
Und ein mächtiger Klang wandelt sich in einen Gesang.
Was ist eine Lotusblume ohne Wasser?
und Kabîr sagt: "Die Bienen meines Herzens trinken ihren Nektar."


Was ist das für ein wundervoller Lotus, der im Herzen des drehenden Universums blüht?
Nur wenige reine Seelen wissen um seine wahre Freude.
Überall um ihn herum ist Musik und dort nimmt das Herz teil an der Freude des unendlichen Meeres.
Kabîr sagt. "Tauche Du ein in diesen Ozean der Süße: Dann werden alle Fehler des Lebens und des Todes fort fliehen.

Siehe, wie der Durst der fünf Sinne dort gelöscht wird!
Und die drei Formen des Elends sind nicht mehr!
Kabîr sagt: "Es ist das Spiel des einzig Unerreichbaren: Schaue hinein und siehe wie das Mondlicht des Verborgenen in Dir leuchtet."

Dort fällt der rhythmische Schlag des Lebens und des Todes in sich zusammen:
Entzückendes Wohlbehagen überall und der ganze Raum ist durchstrahlt von Licht.
Dort erklingt die ungezupfte Musik; es ist die Musik der Liebe aus den drei Welten.
Dort brennen Millionen Sonnenlampen und Mondlampen.
Dort schlägt die Trommel und der Liebende bewegen sich im Rhythmus der Musik.
Dort erklingen Liebeslieder, es regnet Licht in Schauern, und der Verehrer ist entzückt vom Kosten des himmlischen Nektars.
Schau auf das Leben und den Tod, es ist keine Trennung zwischen ihnen; Die rechte Hand und die linke Hand sind ein und dasselbe. Kabîr sagt: "Dort ist der weise Mann sprachlos; diese Wahrheit kann niemals in den Vedas oder in Büchern gefunden werden."

Ich hatte meinen Platz auf dem der Selbstgelassenheit gehabt.
Ich habe getrunken aus dem Becher des Unbeschreiblichen.
Ich habe den Schlüssel der Mysterien gefunden.
Ich habe die Wurzel der Vereinigung erreicht.
Wandernd ohne Spur kam ich in das sorgenlose Land:
Mühelos kam die Barmherzigkeit des großen Herrn über mich.
Sie haben über ihn gesungen als endlos und unerreichbar, aber ich habe Ihn ohne meine Augen in meinen Meditationen gesehen.
Das ist wirklich das sorgenlose Land und niemand weiß den Weg, der dorthin führt.
Nur der, der auf diesem Weg ist, hat sicherlich alle Sorgen transzendiert.
Das Land der Ruhe ist wundervoll, das durch keinen Verdienst gewonnen werden kann;
Es ist der Weise, der es gesehen hat, es ist der Weise, der darüber gesungen hat.
Dies ist das endgültige Wort, aber kann jemand seinen phantastischen Genuß beschreiben?
Der, der es einmal genossen hat, der weiß, welche Freude es geben kann.
Kabîr sagt: "Es zu wissen bedeutet, daß der Ignorant weise wird und der Weise wird sprachlos und still, der Verehrer ist ganz berauscht, seine Weisheit und seine Losgelöstheit ist vollkommen. Er trinkt aus dem Becher des Einatmens und Ausatmens der Liebe."

Dort ist der ganze Himmel gefüllt mit Klang und dort wird die Musik ohne Finger und ohne Saiten gemacht.
Dort endet nie das Spiel von Freude und Schmerz.
Kabîr sagt: "Wenn Du Dein Leben verschmilzt mit dem Ozean des Lebens, dann wirst Du Dein Leben wiederfinden in dem höchsten Land der Seligkeit".

Welcher wilde Freudentaumel ist dort in jeder Stunde!
Und der Verehrer wird ausgepreßt und trinkt den Extrakt der Zeit.
Er lebt in dem Leben des Brahma.
Ich spreche die Wahrheit, weil ich Wahrheit angenommen habe in meinem Leben.
Ich bin nun verbunden mit der Wahrheit.
Ich habe allen Glitter abgelegt.
Kabîr sagt: "Auf diese Weise ist der Verehrer frei von Furcht. Auf diese Weise haben alle Fehler des Lebens und des Todes ihn verlassen."

Dort ist der ganze Himmel gefüllt mit Musik.
Dort regnet es den Nektar.
Dort erklingen die Saiten von Harfen und dort hört man das Schlagen von Trommeln.
Welche geheime Pracht ist dort in dem Schloß des Himmels!
Dort wird das Auf- und Untergehen der Sonne nicht erwähnt.
In dem Ozean der Offenbarung, welches das Licht der Liebe ist, werden Tag und Nacht als eins empfunden.
Ewige Freude, kein Kummer, keine Qual! Dort habe ich die bis zum Rand gefüllte Freude gesehen, die Vollkommenheit der Freude; es ist dort kein Platz für Irrtum.
Kabîr sagt: "Dort habe ich das Spiel des Universums erkannt; ich bin den Fehlern dieser Welt entflohen.

Das Innere und das Äußere werden ein Himmel, das Unendliche und das Endliche werden vereinigt.
Ich bin betrunken von dem Sehen All dieses!
Sein Licht erfüllt das Universum.
Die Lampen der Liebe brennen auf der Tafel des Wissens.
Kabîr sagt: "Dort hat der Irrtum keinen Zugang und der Konflikt von Leben und Tod ist nicht mehr wahrnehmbar."

18 II. 77. maddh âkas' âp jahân baithe
IN dem mittleren Bereich des Himmels, worin der Geist verweilt, strahlt die Musik des Licht's.
Dort, wo die reine und weiße Musik erblüht, hat mein Herr sein Vergnügen.
In dem wundersamen Glanz von jedem Haar seines Körpers verblaßt die Helligkeit von Millionen Sonnen und Monden.
An dem Ufer ist eine Stadt, wo ein Regen aus Nektar hernieder schüttet und schüttet und niemals aufhört.
Kabîr sagt: "Komm, Oh Dharmadas! Und siehe die Halle im Palast meines großen Herrn".

19 II. 20. paramâtam guru nikat virâjatn
OH mein Herz! Der große Geist, der große Herr ist in Deiner Nähe: Erwache, oh Erwache!
Laufe zu den Füßen Deines Geliebten: Denn Dein Herr steht nahe Deinem Haupt.
Du hast geschlafen seit unzähligen Zeitaltern; und diesen Morgen willst Du nicht Erwachen?

20 II. 22. mana tu pâra utâra kahâm jaiho
OH, mein Liebster, welches Ufer ist Dein Ziel?
Es ist kein Reisender vor Dir und kein Weg.
Wo ist Bewegung, wo die Rast zu diesem Ufer?
Da ist kein Wasser, kein Boot, kein Fährmann ist dort.
Da ist nicht einmal ein Tau um das Boot zu schleppen, noch ein Mann der es zieht.
Keine Erde, kein Himmel, keine Zeit, kein Ding gibt es dort: kein Ufer, keine Furt.
Dort ist weder Körper noch Verstand.
Wo ist der Ort, der den Durst Deiner Seele stillen soll?
In dieser Leere wirst Du nichts finden.
Sei stark und gehe in Deinen Körper: Darum ist Deine Standhaftigkeit wichtig.
Oh, mein Liebster, überlege es Dir gut! Gehe nicht woanders hin.
Kabîr sagt: "Lege alle Vorstellungen ab und stehe fest in dem, das Du bist."

21 II. 33. ghar ghar dîpak barai
LAMPEN brennen in jedem Haus, Blinder! Und Du kannst sie nicht sehen.
Eines Tages werden Deine Augen plötzlich geöffnet und Du wirst sehen:
Und die Fesseln des Todes werden sich von Dir lösen.
Es gibt nichts zu sagen oder zu hören, es gibt nichts zu tun:
Es ist Er, der lebt, doch tot, der niemals wieder sterben wird.
Weil er in der Abgeschiedenheit lebt, sagt der Yogi, daß er in der Ferne wohnt.
Dein Herr ist nahe: noch kletterst Du auf den Palmenbaum um Ihn zu sehen.
Der Brahmanen Priester geht von Haus zu Haus und gibt den Leuten Einweihungen in den Glauben:
Mitnichten! Der wahre Brunnen des Lebens ist neben Dir, und Du hast Dir einen Stein aufgestellt, den Du verehrst.
Kabîr sagt: "Ich könnte niemals ausdrücken, wie köstlich mein Herr ist.
Yoga und den Rosenkranz beten, Tugend und Laster -- sie bedeuten Ihm nichts."

22 II. 38. Sâdho, so satgur mohi bhâwai
Oh Bruder, mein Herz sehnt sich nach dem wahren Lehrer, der den Becher der wahren Liebe füllt
Und selbst von ihm trinkt und ihn dann mir anbietet.
Er zieht den Schleier von den Augen und gibt den wahren Blick auf Brahma frei:
Er offenbart die Welten in Ihm und ermöglicht mir die ungespielte Musik zu hören:
Er zeigt Freude und Schmerz in einem: Er füllt jede Äußerung mit Liebe.
Kabîr sagt: "Für wahr, der hat keine Angst, der einen solchen Lehrer hat um ihn in die Zuflucht der Sicherheit zu führen".

23 II. 40. tinwir sâñjh kâ gahirâ âwai
DIE Schatten am Abend fallen tief und weit und die Dunkelheit der Liebe umhüllt den Körper und den Verstand.
Öffne das Fenster nach Westen und verliere Dich in den Himmel der Liebe;
Trinke den süßen Honig, der die Blätter des Lotus im Herzen versenkt.
Empfange die Wellen in Deinem Körper: Welcher Glanz ist dort, wo das Meer ist !
Horch'! Der Klang der Muscheln und Schellen tauchen auf.
Kabîr sagt: "Oh Bruder, Sieh da! Der Herr ist in dieses Gefäß meines Körpers."

24 II. 48. jis se rahani apâr jagat men

MEHR als alles andere verehre ich aus ganzem Herzen die Liebe die mich in dieser Welt ein grenzenloses Leben leben läßt.
Sie gleicht dem Lotus, der im Wasser lebt und auch im Wasser blüht.
Doch reicht das Wasser nicht bis an die Blüten heran und kann sie nicht berühren.
Sie öffnen sich jenseits der Reichweite des Wassers.
Es gleicht einer Frau, die das Feuer erreicht durch das Bieten der Liebe.
Dieser Ozean der Welt ist schwer zu überqueren. Seine Wasser sind sehr tief.
Kabîr sagt: "Hör mir zu, Sadhu! Es sind nur Wenige die sein Ende erreicht haben." 

25 II. 45. Hari ne apnâ âp chipâyâ
MEIN Herr verbirgt sich selbst und mein Herr offenbart sich selbst auf wundersame Weise:
Mein Herr hat mich umgeben mit Härte und mein Herr hat meine Beschränkungen niedergeworfen.
Mein Herr überbringt mir Worte des Schmerzes und Worte der Freude und Er selbst macht ihre Uneinigkeit wieder ganz.
Ich werde meinen Körper und meinen Verstand meinem Herrn darbieten:
Ich werde mein Leben aufgeben, aber niemals kann ich meinen Herrn vergessen.

26 II. 75. ônkâr siwae kôî sirjai
ALLE  Dinge sind hervorgebracht durch Onkar; Die Form der Liebe ist sein Körper.
Er ist ohne Form, ohne Eigenschaft, ohne Verfall: Suche Du die Vereinigung mit Ihm!
Dennoch nimmt dieses formlose Wesen Tausende von Formen an in den Augen seiner hervorgebrachten Wesen:
Er ist pur und unzerstörbar. Seine Form ist unendlich und bodenlos.
Er tanzt in Begeisterung und Wellen von Formen entspringen seinem Tanz.
Der Körper und der Verstand können sich selbst nicht ermessen, wenn sie berührt werden von seiner großen Freude.
Er ist versunken in allem Bewußtsein, allen Freuden und allem Leid:
Er hat keinen Anfang und kein Ende; Er hält alles in seiner Wonne.

27 II. 81. satgur sôî dayâ kar dînhâ
ES ist die Barmherzigkeit meines wahren Lehrers, die mich das Unbekannte wissen ließ.
Ich habe von Ihm gelernt, wie man ohne Füße gehen, ohne Augen sehen, ohne Ohren hören, ohne Mund trinken und ohne Flügel fliegen kann.
Ich habe meine Liebe und meine Meditation in das Land gebracht, in dem keine Sonne ist und kein Mond, noch Tag und Nacht.
Ohne zu essen habe ich von der Süße des Nektars gekostet und ohne Wasser habe ich meinen Durst gestillt.
Dort, wo es auf das Vergnügen eine Antwort gibt, dort ist die Fülle der Freude.
Vor wem kann man diese Freude ausdrücken?
Kabîr sagt: "Der Lehrer ist groß, jenseits aller Worte und groß ist das Glück des Schülers."

28 II. 85. nirgun âge sargun nâcai
TÄNZELND ins Ohr trompetet der Sklave dem Freien: "Du und Ich sind Eins".
Vorm Schüler verneigt sich ergeben der Lehrer. Das ist ein Wunder - sonst keins.

29 II. 87. Kabîr kab se bhaye vairâgî
GORAKHNATH fragt Kabîr: "Sage mir Kabîr, wann begann Deine Berufung? Wo ist Deine Liebe gewachsen?"
Kabîr antwortet: "Als Er, dessen Formen vielfältig sind, sein Spiel nicht begonnen hatte:
Als es keinen Lehrer gab und keinen Schüler: Als die Welt nicht entfaltet war: Als der Höchste allein war -
Dann wurde ich ein Asket; dann, Oh Gorakh, wurde meine Liebe zu Brahma hingezogen.
Brahma trug auf seinem Haupt keine Krone, Vishnu war nicht als König gesalbt,
Die Macht des Shiva war noch nicht geboren: Als ich in das innerliche Vertiefen eingeweiht wurde.
Ich bekam überraschend in Benares eine Offenbarung und Ramananda erleuchtete mich;
Ich brachte den Durst für das Unendliche mit und ich war gekommen für ein Treffen mit Ihm.
In Einfachheit werde ich mit dem Einfachen vereint: Meine Liebe wird sich erheben.
Oh, Gorakh, marschiere Du zu seiner Musik."

30 II. 95. yâ tarvar men ek pakherû
AUF diesem Baum ist ein Vogel: Er tanzt in der Freude des Lebens.
Keiner weiß wo es ist: Und wer weiß was sein Refrain bedeuten mag?
Wo die Zweige einen tiefen Schatten werfen, dort hat er sein Nest:
Und er kommt am Abend und fliegt am Morgen wieder fort,
Und er sagt kein Wort darüber, was sein Refrain bedeutet.
Keiner erzählt mir von dem Vogel, der in meinem Inneren singt.
Er ist weder bunt, noch farblos: Er hat weder eine Gestalt noch eine Kontur:
Er sitzt im Schatten der Liebe.
Er wohnt im Inneren der Unerreichbarkeit, dem Unendlichen und dem Ewigen;
Und niemand nimmt es wahr, wenn er kommt und geht.
Kabîr sagt: "Oh Bruder Sadhu! Es ist ein tiefes Mysterium.
Lasse weise Menschen danach suchen, wo dieser Vogel ruht."

31 II. 100. nis` din sâlai ghâw
EIN heftiger Schmerz bekümmert mich Tag und Nacht und ich kann nicht schlafen;
Ich sehne mich nach dem Treffen mit meinem Geliebten und an meines Vaters Zuhause habe ich keine Freude mehr.
Die Tore des Himmels sind geöffnet, der Tempel ist offenbart:
Ich treffe mein Gemahl und hinterlasse zu seinen Füßen die Darbringung meines Körpers und meines Verstandes. 

32 II. 103. nâco re mero man, matta hoy
TANZE, mein Herz! Tanze mit Freude heute.
Die Weisen der Liebe erfüllen die Tage und die Nächte mit Musik, und die Welt hört seine Melodien:
Verrückt vor Freude tanzen Leben und Tod den Rhythmus dieser Musik.
Berge und Meer und die Erde tanzen. Die Welt des Mannes tanzt in Gelächter und Tränen.
Warum zieht er sich die Mönchs-Kutte an und lebt fern der Welt in einsamen Stolz?
Schau! Mein Herz tanzt im Vergnügen hundert verschiedene Tänze; und der Schöpfer ist sehr erfreut.

33 II. 105. man mast huâ tab kyon bole
WOZU bedarf es der Worte, wenn die Liebe das Herz trunken gemacht hat?
Ich habe den Diamanten in meinen Mantel gewickelt, warum soll ich ihn immer und immer wieder auswickeln?
Als das Gewicht leicht war, bewegte sich die Waagschale noch oben. Nun ist sie voll, wozu bedarf es da noch des Wiegens?
Der Schwan flog zu seinem See jenseits der Berge; warum soll er weiter nach Tümpeln und Gräben suchen?
Dein Herr wohnt in Dir: Wozu bedarf es da die Augen nach Außen zu öffnen?
Kabîr  sagt: "Hör zu, Bruder! Mein Herr, der meine Augen herum riß, hat sich selbst mit mir vereint."

34 II. 110. mohi tohi lâgî kaise chute
WIE kann die Liebe zwischen Dir und mir sich scheiden?
Wie das Blatt des Lotus auf dem Wasser verweilt:
So bist Du mein Herr und ich Dein Diener.
Wie der Nacht-Vogel Chakor die ganze Nacht den Mond anstarrt:
So bist Du mein Herr und ich Dein Diener.
Vom Anfang bis zum Ende der Zeit ist Liebe zwischen Dir und mir; wie soll solche Liebe erlöschen?
Kabîr sagt: "Wie der Fluß in das Meer strömt, so berührt Dich mein Herz."

35 II. 113. vâlam, âwo hamâre geh re
MEIN Körper und mein Verstand sind betrübt, weil Du nicht bei mir bist;
Oh mein Geliebter! Komme in mein Haus.
Wenn die Leute sagen, daß ich Deine Braut bin, bin ich beschämt;
Denn Ich habe Dein Herz nicht mit meinem Herzen berührt.
Was ist dann diese meine Liebe? Ich kann kein Essen schmecken, Ich kann nicht schlafen;
Mein Herz ist ständig ruhelos drinnen wie draußen.
Was das Wasser für den Durstigen ist, ist der Geliebte für die Braut.
Wer ist da, der meine Nachricht zum Geliebten trägt?
Kabîr ist ruhelos: Er stirbt um Ihn zu sehen.

36 II. 126. jâg piyârî, ab kân sowai
Oh Freund, wach' auf und schlaf' nicht mehr!
Die Nacht ist nun vorüber, möchtest Du auch noch Deinen Tag verlieren?
Andere, die erwachten, haben Juwelen empfangen;
Oh törichtes Weib! Du hast alles verloren während Du schliefst.
Dein Liebhaber ist weise und Du bist töricht, Oh Weib!
Du hast niemals das Bett für Dein Gemahl gemacht:
Oh Du Verrückte! Du verbrachtest die Zeit mit albernen Spielen.
Deine Jugend verging in Nichtigkeit, denn Du wußtest den Herrn nicht; 
Wach auf! Wach auf! Sieh' hin! Dein Bett ist leer: Er hat Dich in der Nacht verlassen.
Kabîr sagt: "Nur sie ist wach, deren Herz durchbohrt ist mit dem Pfeil Seiner Musik."

37 I. 36. sûr parkâs', tanh rain kahân pâïye
WO ist die Nacht, wenn die Sonne scheint? Wenn es Nacht ist, dann zieht die Sonne ihr Licht zurück.
Wo Erkenntnis ist, kann dort Unwissenheit bestehen? Wo  Unwissenheit ist, muß Erkenntnis sterben. 
Wo sinnliche Begierde ist, wie kann dort Liebe sein? Wo Liebe ist, ist keine Begierde.
Lege Dich in Dein Schwert und geh' in den Kampf. Kämpfe, mein Bruder, solange das Leben dauert.
Schlage Deinem Feind den Kopf ab und mache ihm dort schnell ein Ende:
Dann komme und beuge Dein Haupt zu Deinem König.
Der, der mutig ist, verläßt nie die Schlacht: Der von ihr flieht, ist kein wahrer Kämpfer.
Auf dem Felde in diesem Körper geht ein großer Krieg voran: gegen Leidenschaft, Zorn, Stolz und Gier:
Es ist in dem Königreich der Wahrheit, Zufriedenheit und Reinheit, wo diese Schacht wütet;
Und das Schwert, das weiterhin am lautesten klingt, ist das Schwert seines Namens.
Kabîr sagt: "Wenn ein mutiger Ritter das Feld einnimmt, wird eine Menge von Feiglingen fliehen.
Es ist ein harter Kampf und ein erschöpfender, dieser Kampf des Wahrheitssuchers:
Für den Eid des Wahrheitssuchers ist es härter als für den Eid des Krieger, oder die verwitwete Frau, die ihrem Mann folgt.
Der Krieger kämpft nur für wenige Stunden und der Witwe Mühe und Plage ist bald zuende:
Aber der Kampf des Wahrheitssuchers dauert Tag und Nacht, solange wie das Leben dauert, endet er nie."   

38 I. 50. bhram kâ tâlâ lagâ mahal re
DER Riegel des Irrtums verschließt das Tor, öffne es mit dem Schlüssel der Liebe:
Wenn Du auf diese Weise die Tür öffnest, wirst Du den Geliebten wecken.
Kabîr sagt: "Oh Bruder! Geh nicht vorüber bei soviel Glück wie diesem."

39 I. 59. sâdho, yah tan thâth tanvure ka
OH mein Freund! Dieser Körper ist  Seine Leier.  Er strafft ihre Saiten und entlockt ihr die Melodie des Brahma.
Wenn die Saite reißt und sich die Knebel lockern, dann muß dieses Instrument aus Staub wieder zu Staub werden:
Kabîr sagt: "Niemand Anderer als Brahma kann seine Melodie wieder erwecken."

40 I. 65. avadhû bhûle ko ghar lâwe
ER ist wirklich lieb zu mir, er, der den Wanderer zurück rufen kann nach seinem Zuhause.
In dem Zuhause ist die wahre Vereinigung, in dem Zuhause ist die Freude des Lebens:
Warum soll ich mein Zuhause verlassen und im Walde umher wandern?
Wenn Brahma mir hilft Wahrheit zu realisieren, werde ich wahrlich beides, Bindung und Entbindung, in meinem Zuhause finden.
Er ist wirklich lieb zu mir, er, der die Kraft hat tief einzutauchen in Brahma;
Dessen Verstand sich mit Leichtigkeit selbst verliert in Seiner Versenkung.
Er ist wirklich lieb zu mir, er, der Brahma kennt und wohnen kann in Seiner höchsten Wahrheit in Meditation;
Und er, der die Melodie des Unendlichen spielen kann durch die vereinigte Liebe und den Verzicht im Leben.
Kabîr sagt: "Das Zuhause ist der beständige Ort; im Zuhause ist Wirklichkeit;
Das Zuhause hilft Ihn zu erreichen, der wirklich ist.
So bleibe wo Du bist und alle Dinge werden zur rechten Zeit zu Dir kommen."

41 I. 76. santo, sahaj samâdh bhalî
Oh Sadhu! Die einfache Vereinigung ist die beste.
Seit dem Tag, als ich meinen Herrn traf, gab es kein Ende in unserem Liebesspiel.
Ich schließe nicht meine Augen; ich verschließe nicht meine Ohren, ich kasteie nicht meinen Körper;
Ich sehe mit offenen Augen und lächle, und erblicke seine Schönheit überall:
Ich spreche seinen Namen aus und was immer ich sehe, es erinnert mich an Ihn; was immer ich tue, wird zu seiner Verehrung.
Das Aufsteigen und das Absteigen sind Eines für mich. Alle Widersprüche sind aufgelöst.
Wo auch immer ich gehe, bewege ich mich um Ihn herum, alles was ich vollbringe ist Dienst:
Wenn ich liege, liege ich zu seinen Füßen nieder.
Er ist der Einzige, der für mich verehrungswürdig ist: Ich habe keinen Anderen.
Meine Zunge hat die schmutzigen Worte abgelegt, sie singt seine Herrlichkeit Tag und Nacht:
Ob ich aufstehe oder mich setze, ich kann Ihn niemals vergessen; denn der Rhythmus seiner Musik schlägt in meinen Ohren.
Kabîr sagt: "Mein Herz ist rasend und ich offenbare das in meiner Seele, das verborgen ist.
Ich bin eingetaucht in das eine große Vergnügen, welches alle Freude und allen Schmerz durchdringt."

42 I. 79. tîrath men to sab pânî hai
ES ist nichts als Wasser in den heiligen Becken, ich weiß, daß sie sinnlos sind, weil ich in ihnen geschwommen bin.
Alle die Götter-Skulpturen sind ohne Leben. Sie können nicht sprechen; ich weiß es, ich habe sie laut angeschriehen.
Das Purana und der Koran sind nichts als Worte; heben den Vorhang, den ich gesehen habe.
Kabîr gibt den Worten der Erfahrung Ausdruck; und er weiß sehr gut, daß alle anderen Dinge unwahr sind.

43 I. 82. pânî vic mîn piyâsî
ICH lache, wenn Ich höre, das der Fisch im Wasser durstig ist.
Du begreifst nicht die Tatsache, daß das Lebendigste von Allem in Deinem eigenen Hause ist;
und so wanderst Du mit verwirrtem Blick von einer heiligen Stadt zur nächsten!
Kabîr möchte Dir die Wahrheit sagen: Wohin auch immer Du gehst, nach Kalkutta oder Tibet;
solange Du nicht weißt, wo Deine Seele verborgen ist, 
wird die Welt für Dich niemals wirklich sein!

44 I. 93. gagan math gaib nisân gade
DAS verborgene Band ist aufgerichtet im Tempel des Himmels;
Dort ist der blaue Baldachin bekleidet mit dem Mond und besetzt mit ausgebreiteten Juwelen.
Dort scheint das Licht der Sonne und des Mondes:
Beruhige Deinen Verstand zur Stille vor dieser Herrlichkeit.
Kabîr sagt: "Der, der von diesem Nektar getrunken hat, wandelt umher, wie jemand der verrückt ist."

45 I. 97. sâdho, ko hai kânh se âyo
WER bist Du und woher kommst Du?
Wo wohnt das höchste Bewußtsein?
Und wie betreibt Er sein Spiel mit allen Kreationen?
Das Feuer ist im Holz, aber wer erweckt es so plötzlich?
Dann wandelt es sich in Asche, aber wohin geht die Kraft des Feuers?
Der wahre Lehrer lehrt, daß er weder eine Beschränkung hat, noch eine Unbegrenztheit.
Kabîr  sagt: "Brahma paßt seine Sprache an das Verständnis seines Zuhörers an".

46 I. 98. sâdho, sahajai kâyâ s'odho
O SADHU! Reinige Deinen Körper auf einfache Weise.
Wie der Same im Inneren des Banyan-Baumes ist, und wie die Samen im Inneren der Blumen, der Früchte und des Dunkels sind:
So ist der Keim im Inneren des Körpers, und im Inneren des Keimes, wieder ein Körper.
Das Feuer, die Luft, das Wasser, die Erde und der Äther; Du kannst es nicht außerhalb von Ihm haben.
Oh Kazi, Oh Pundit, betrachte es sorgfältig: Was existiert, das nicht in der Seele ist?
Der wassergefüllte Krug ist über dem Wasser, er hat Wasser im Inneren nicht im Äußeren.
Es sollte nicht benannt werden, damit der Fehler des Dualismus nicht ausgerufen wird. 
Kabîr sagt: "Höre dem Wort zu, der Wahrheit, die Deine Essenz ist.
Er spricht das Wort zu sich selbst; und er selbst ist der Hervorbringer." 

47 I. 102. tarvar ek mûl vin thâdâ
DA ist ein seltsamer Baum; er steht ohne Wurzeln und trägt Früchte ohne zu blühen.
Er hat keine Zweige und keine Blätter, es ist ein Lotus überall.
Zwei Vögel singen aus ihm: Der Eine ist der Lehrer und der Andere ist der Schüler:
Der Schüler wählt die mannigfaltigen Früchte des Lebens und kostet sie und der Lehrer betrachtet ihn in Freude.
Was Kabîr  sagt, ist schwer zu verstehen: "Der Vogel ist jenseits des Suchens, doch ist er am klarsten sichtbar.
Das Formlose ist die Mitte aller Formen. Ich singe über die Herrlichkeit der Formen."

48 I. 107. calat mansâ acal kînhî
ICH habe meinen rastlosen Verstand gestillt und mein Herz strahlt.
Um in das Sein zu schauen, habe ich jenseits des Seins geschaut.
In dieser Gemeinschaft habe ich den Kameraden selbst gesehen.
Leben in Sklaverei: Ich habe mich davon befreit: Ich habe mich entzweit von den Klauen der Einengung.
Kabîr  sagt: "Ich habe das Unerreichbare erreicht und mein Herz ist von den Farben der Liebe gefärbt."

49 I. 105. jo dîsai, so to hai nâhîn
DAS was Du siehst ist nicht: und für das, was ist, hast Du keine Worte.
Sofern Du siehst, vertraust Du nicht: Das, was man Dir erzählt, kannst Du nicht akzeptieren.
Er, der wahrnimmt, weiß durch das Wort; und der Unwissende steht staunend da mit offenem Mund.
Einige betrachten nachdenklich das Formlose und andere meditieren die Form:
Aber der Weise weiß, das Brahma  jenseits des Formlosen und der Form ist.
Seine Schönheit kann man nicht mit dem Auge sehen: Sein Takt ist mit dem Ohr nicht hörbar.
Kabîr sagt: "Der, der beides -  Liebe und Verzicht - gefunden hat, steigt niemals herab zum Tod."

50 I. 126. muralî bajat akhand sadâye
DIE Flöte des Unendlichen spielt ohne zu verstummen, und ihr Klang ist Liebe:
Wenn die Liebe auf alle Grenzen verzichtet, erreicht sie die Wahrheit.
Wie weit doch ihr Duft reicht! Sie hat kein Ende, nichts steht ihr im Weg.
Die Form dieser Melodie ist so hell wie Millionen Sonnen: unvergleichlich klingt die Vina, die Vina mit den Noten der Wahrheit.

51 I. 129. sakhiyo, ham hûn bhâî vâlamâs'î
LIEBER Freund. Ich bin so ungeduldig meinen Geliebten zu treffen!
Meine Jugend war blumig und der Schmerz der Trennung von Ihm bekümmert meine Brust.
Ich wandere jetzt in den Gassen der Erkenntnis ohne Ziel,
Dennoch habe ich seinen Nachrichten empfangen in diesen Gassen der Erkenntnis.
Ich habe einen Brief von meinem Geliebten:
Dieser Brief enthält eine unaussprechliche Nachricht und nun ist meine Angst vor dem Tode vorbei. 
Kabîr sagt: "Oh mein liebender Freund! Ich habe für mein Geschenk den Unsterblichen bekommen".

52 I. 130. sâîn vin dard kareje hoy
WENN ich getrennt bin von meinem Geliebten, ist mein Herz voll Trübsal:
Ich finde keinen Trost am Tage, ich finde keinen Schlaf in der Nacht.
Zu wem soll ich von meinem Kummer sprechen?
Die Nacht ist dunkel; die Stunden vergehen.
Weil mein Herr abwesend ist, erschrecke ich zitternd vor Furcht.
Kabîr sagt: "Hör' mir zu, mein Freund! Es gibt keine andere Zufriedenheit als in der Begegnung mit dem Geliebten".

53 I. 122. kaum muralî s'abd s'un ânand bhayo
WAS ist die Flöte, deren Musik mich entzückt mit Freude?
Die Flamme brennt außerhalb der Lampe;
Die Lotus-Blüte blüht außerhalb der Wurzel;
Blumen blühen in Meeren von Blütenpracht;
Der Mond-Vogel gibt sich dem Monde hin;
Mit seinem ganzen Herzen erwartet der Regenvogel den Regenschauer;
Aber auf wessen Liebe konzentriert der Liebende sein ganzes Leben?

54 I. 112. s'untâ nahî dhun kî khabar
HAST Du nicht den Klang erhört, den die nicht gezupfte Musik spielt?
In der Mitte der Kammer wird die Harfe der Freude sanft und lieblich gespielt;
Und wo macht es Sinn das nicht zu hören?
Wenn Du nicht von dem Nektar der Einen Liebe getrunken hast,
Was nutzt es, selbst wenn Du Dich reinwäscht von allem Schmutz?
Der Kazi sucht die Worte des Koran und weist andere an:
Aus seinem Herzen heraus ist er nicht versunken in die Liebe,
Was nutzt es, selbst wenn er ein Lehrer der Menschen ist? 
Der Yogi taucht seine Kleider in das Rot: aber wenn er über die Farben der Liebe nichts weiß,
Was nutzt es, selbst wenn seine Kleider gefärbt sind?
Kabîr sagt: "Ob ich im Tempel bin oder auf der Galerie, im freien Felde oder im Garten der Blumen,
Ich erzähle Dir wahrhaftig, daß zu jeder Zeit mein Herr Seine Freude in mir einnimmt."

55 I. 73. bhakti kâ mârag jhînâ re
FEIN ist der Pfad der Liebe!
Dort drinnen ist kein Fragen und kein Nicht-Fragen.
Dort verliert man sein Selbst zu seinen Füßen.
Dort ist man eingetaucht in die Freude des Suchens:
Hinein gesprungen in die Tiefen der Liebe, wie ein Fisch in das Wasser.
Der Liebende zögert nicht lange in der Darbringung seines Kopfes für den Dienst seines Herrn.
Kabîr erklärt das Geheimnis dieser Liebe.

56 I. 68. bhâi kôî satguru sant kahâwaî
DER ist der wahre Sadhu, der die Form des Formlosen offenbart als Sichtweise dieser Augen:
Wer lehrt die einfache Weise Ihn zu erreichen, die anders ist, als die Weise durch Riten oder Zeremonien:
Wer schließt Dir nicht die Tür vor der Nase zu und hält den Atem an und verzichtet auf die Welt:
Wer läßt den höchsten Geist wahrnehmen, wo immer der Verstand in sich selbst verhaftet ist:
Wer lehrt Dich still zu sitzen inmitten aller Deiner Tätigkeiten.
Stets vertieft in der Wonne ohne Angst im Denken behält er den Geist der Vereinigung inmitten aller Freude.
Der unendliche Aufenthalt des unendlichen Wesens ist überall: In der Erde, Wasser, Himmel und Luft:
Fest wie ein Donnerkeil ist der Sitz des Suchers errichtet oberhalb der Leere.
Der, der im Inneren ist, ist im Außen: Ich sehe ihn und niemand sonst.

57 I. 66. sâdho, s'abd sâdhnâ kîjai
NEHME das Wort wahr, aus dem das Universum entsprungen ist!
Dieses Wort ist der Lehrer; ich habe es gehört und wurde sein Schüler.
Wieviele sind es, welche die Bedeutung des Wortes kennen?
Oh Sadhu! Praktiziere das Wort!
Die Vedas und die Purunas verkünden es, das Wort ist darin begründet,
Die Rishis und Verehrer sprechen von ihm:
Aber niemand weiß um das Mysterium des Wortes.
Der Hausherr verläßt sein Haus, wenn er es hört,
Der Asket findet zurück zu der Liebe wenn er es hört,
Die sechs Philosophien erklären es,
Der Geist der Entsagung weist auf das Wort,
Von diesem Wort ist die Form der Welt entsprungen, das Wort offenbart Alles.
Kabîr sagt: "Aber wer weiß wann das Wort erscheint?

58 I. 63. pîle pyâlâ, ho matwâlâ
LEERE den Becher! O sei betrunken!
Trinke den köstlichen Nektar seines Namens!
Kabîr sagt: "Höre mir zu, lieber Sadhu!
Von der Fußsohle bis zum Scheitel des Kopfes ist der Verstand gefüllt mit Gift!"

59 I. 52. khasm na cînhai bâwari
OH Mann, wenn Du nicht Deinen eigenen Herrn kennst, worauf bist Du so stolz?
Leg Deine Klugheit beiseite: Bloße Worte werden Dich nie mit Ihm vereinigen.
Betrüge Dich nicht selbst mit dem, was die Schriften bezeugen:
Liebe ist etwas anderes als sie, und der, der sie wahrhaft gesucht hat, hat sie auch gefunden.¹

60 I. 56. sukh sindh kî sair kâ
DER charakteristische Geschmack im umherschweifenden Ozean des unsterblichen Lebens hat mich von all meinem Verlangen befreit: Wie der Baum in dem Samen ist, so sind alle Leiden in diesem Verlangen.

61 I. 48. sukh sâgar men âîke
WENN Du letztlich den Ozean der Glückseligkeit erreichst, komme nicht durstig zurück.
Wach' auf Du Tor! Für den Tod stolzierst Du. Hier ist reines Wasser vor Dir; trinke es mit jedem Atemzug.
Folge nicht der Täuschung auf dem Fuße, sondern dürste nach dem Nektar;
Dhruva, Prahlad und Shukadeva haben von ihm getrunken und auch Raidas hat ihn gekostet:
Die Heiligen sind trunken voll Liebe, ihr Dürsten ist für die Liebe.
Kabîr sagt: "Höre mir zu, Bruder! Die Brutstätte der Furcht ist zerschlagen.
Nicht für einen Augenblick warst Du unter vier Augen mit der Welt:
Du webst Deine Sklaverei der Unwahrheit, Deine Worte sind voll von Betrug:
Mit der Last des Begehrens, die auf Deinem Kopfe trägst, wie kannst Du da leicht sein?"
Kabîr sagt: "Erhalte in Dir Wahrheit, Losgelöstheit und Liebe."

62 I. 35. satî ko kaun s'ikhâwtâ hai
WER hat jemals die Witwe gelehrt sich selbst zu verbrennen auf dem Scheiterhaufen ihres toten Gemahls?
Und wer hat jemals die Liebe gelehrt durch das Finder der Wonne im Verzicht?

63 I. 39. are man, dhîraj kâhe na dharai
WARUM so unduldsam, mein Herz?
Er, der über Vögel, Vieh und Insekten wacht,
Er der Dir zugetan ist, solange Du noch im Bauche Deiner Mutter warst,
Sollte Er Dir nicht zugetan sein, nun wo Du heraus gekommen bist?
Oh mein Herz, wie kannst Du Dich Abwenden von dem Lächeln Deines Herrn und wandelst weit entfernt von Ihm?
Du hast Deinen Geliebten verlassen und denkst an Andere: Und deswegen ist all Dein Werk nichtig.

64 I. 117. sâîn se lagan kathin hai, bhâî
WIE schwer ist es meinen Herrn zu treffen!
Der Regenvogel wehklagt seinen Durst nach dem Regen:
Sie stirbt beinahe an ihrer Sehnsucht, noch möchte sie nicht anderes Wasser haben, als den Regen.
Gezogen von der Liebe der Musik bewegt sich der Hirsch weiter:
Sie stirbt als sie der Musik zuhörte, jedoch erschrak sie nicht vor Angst.
Die Witwe sitzt neben dem Körper ihres toten Gemahls:
Sie fürchtet nicht das Feuer.
Beseitige alle Besorgnis um diesen armseligen Körper.

65 I. 22. jab main bhûlâ, re bhâî
OH Bruder! Als ich vergeßlich war, zeigte mit mein wahrer Lehrer den Weg.
Ich ließ alle Riten und Feierlichkeiten hinter mir und badete nicht mehr im heiligen Wasser.
Ich lernte, daß ich allein es war, der wahnsinnig und verrückt war,
Die ganze Welt um mich herum aber vernünftig und gesund und ich diese weisen Menschen nur gestört hatte.
Von da an wußte ich, das ich mich nicht mehr im Nebel der Ehrerbietung und Verbeugung zu wälzen brauchte:
Ich läutete die Glocke im Tempel nicht mehr,
Ich setzte kein Götzenbild mehr auf den Thron,
Ich verehrte das Götzenbild nicht mehr mit Blumen.
Es ist nicht die einfache Lebensweise, die das Fleisch kasteit um den Herrn zu erfreuen.
Wenn Du Deine Kleider ablegst und Deine Sinne abtötest, wirst Du den Herrn nicht erfreuen.
Der Mensch, der gütig und freundlich ist, der Rechtschaffenheit praktiziert,
Der passiv bleibt inmitten der weltlichen Angelegenheiten,
Der alle Kreaturen der Erde als sein eigenes Selbst ansieht,
Der erlangt das unsterbliche Sein und der wahre Gott ist immer mit ihm.
Kabîr sagt: "Der erlangt den wahren Namen, dessen Worte rein sind und der frei ist von Stolz und Dünkel".

66 I. 20 man na rangaye
EIN Yogi taucht seine Kleider in die Farbe, anstatt daß er seinen Verstand in die Farben der Liebe taucht.
Er sitzt in einem Tempel des Herrn und hat Brahma verlassen um einen Stein zu verehren.
Er bohrt Löcher in seine Ohren, sein Bart wächst gewaltig als Matte, so daß manche Leute ihn schon mit einer Ziege verwechseln.
Er geht hinaus in die einsame Wildnis, unterdrückt seine Triebe und verwandelt sich in einen Eunuchen.
Er rasiert seinen Schädel, legt sein Gewand in einen orangenen Bottich, liest die Bhagavad-Gita, und wird ein ungeheurer Erzähler.
Kabîr sagt: "Du gehst zu den Toren des Todes, binde Hände und Füße!"  

67 I. 9. nâ jâne sâhab kaisâ hai
ICH weiß nicht welche Art von Gott die meine ist.
Der Mullah schreit laut nach Ihm: Warum? Ist sein Herr taub?
Die feinen Glöckchen, die am Fuße eines Insekts klingeln, wenn es ihn bewegt, werden von Ihm gehört.
Zähle den Rosenkranz, male Deine Stirn mit dem Label Deines Gottes, und trage auffällig lange Filzlocken auf Deinem  Haupt:
Aber in Deinem Herzen ist eine tödliche Waffe - wie willst Du Gott erfahren?

68 III. 102. ham se rahâ na jây
ICH HÖRE die Melodie Seiner Flöte und ich kann nicht an mich halten:
Die Blume blüht, obwohl es kein Frühling ist; und schon hat die Biene ihre Einladung erhalten.
Der Himmel brüllt und das Gewitter blitzt, die Wellen entspringen meinem Herzen.
Der Regen fällt und mein Herz sehnt sich nach meinem Herrn.
Wo der Rhythmus der Welt aufsteigt und fällt, dorthin ist mein Herz gelangt:
Dort flattern die verborgenen Fahnen im Wind.
Kabîr sagt: "Mein Herz stirbt, obwohl es lebt."

69 III. 2. jo khodâ masjid vasat hai
WENN Gott in der Moschee ist, zu wem gehört dann diese Welt?
Wenn Ram in den Bildern ist, welche Du auf Deiner Pilgerreise findest,
Wer ist dann da, der weiß, was passiert, wenn er außerhalb ist?
Hari ist im Osten: Allah ist im Westen. Schaue in das Inneren Deines Herzens,
Denn dort wirst Du beide finden, Karim und Ram;
Alle Männer und Frauen der Welt sind Seine lebendigen Formen.
Kabîr ist das Kind von Allah und von Ram: Er ist mein Lehrer, Er ist mein verehrter alter Lehrer.


70 III. 9. s'îl santosh sadâ samadrishti
DER, der sanftmütig und zufrieden ist, der, der eine gleichmäßige Sichtwesie hat,
Dessen Gemüt gefüllt ist mit der Fülle der Anerkennung und der Ruhe;
Der Ihn gesehen hat und Ihn berührt hat, der ist befreit von aller Furcht und allen Sorgen.
Für ihn ist die immerwährende Aufmerksamkeit auf Gott wie eine Sandelholzpaste auf seinem Körper,
Für ihn gibt es kein anderes Vergnügen, als das:
Seine Arbeit und seine Ruhe ist gefüllt mit Musik: Er sendet die Strahlen der Liebe überall hin.
Kabîr sagt: "Berühre seine Füße, der Eins ist und unteilbar, unveränderlich und friedvoll;
Der alle Gefäße bis zum Rand füllt mit Freude und dessen Form Liebe ist."

71 III. 13. sâdh sangat pîtam
BEGEBE Dich in die Gesellschaft der Tugend, wo der Geliebte seinen Wohnort hat:
Hole alle Deine Gedanken und Liebe von dort.
Laß' die Versammlungen zu Asche verbrannt sein, wo Sein Name nicht gesprochen wird!
Sag mir, wie könntest Du eine Hochzeit feiern, wenn der Bräutigam selbst nicht da wäre?
Zaudere nicht mehr, denke nur an den Geliebten; Gib Dein Herz nicht zum Dienen für andere Wesen;
Ein Dienen anderer Herren hat keine Bedeutung.
Kabîr überlegt und sagt: "Auf solche Weise wirst Du den Geliebten niemals finden."

72 III. 26. tor hîrâ hirâilwâ kîcad men
Der Diamant ist verloren im Dreck und alle suchen ihn;
Einige suchen ihn im Osten und einige suchen ihn im Westen;
Einige im Wasser und einige zwischen Steinen.
Aber der Diener Kabîr hat seinen wahren Wert erkannt und hat ihn sorgfältig eingehüllt in den Saum des Mantels seines Herzens.

73 III. 26. âyau din gaune kâ ho
DIE Sänfte kam und brachte mich fort zum Hause meines Gemahls und das durchzog mein Herz mit erregender Freude;
Aber die Träger brachten mich in einen einsamen Wald, wo es niemand gab, der mich kannte.
Oh Träger, zu Euren Füßen bitte ich Euch ernstlich, dennoch einen Moment zu warten:
Laßt mich zu meinen Verwandten und Freunden, daß ich Abschied von Ihnen nehmen kann.
Der Diener Kabîr singt. "Oh,  Sadhu! Beende Dein Kaufen und Verkaufen, Dein Tun des Guten und Bösen ist zuende:
Es sind dort keine Märkte und keine Geschäfte in dem Land, in das Du gehst."

74 III. 30. are dil, prem nagar kä ant na pâyâ
OH, mein Herz! Du wußtest nicht um all diese Geheimnisse dieser Stadt der Liebe:
In Unwissenheit kamst Du und in Unwissenheit kehrst Du zurück.
Oh, mein Freund, was hast Du gemacht mit diesem Leben?
Du hast auf Deinem Haupt die schwere Last mit Steinen getragen und wer ist es, der sie Dir erleichtert?
Dein Freund steht am anderen Ufer, aber Du hast in Deinem Verstand niemals daran gedacht, wie Du Ihn vielleicht treffen kannst:
Das Boot ist entzwei, und nun sitzt Du für immer auf der Sandbank;
und so bist Du geschlagen durch die Wellen, die keinen Zweck verfolgen.
Der Diener Kabîr fragt Dich das zu überlegen: Wer ist da, der Dich letztlich als Freund behandelt?
Du bist allein, Du hast keinen Gefährten: Du wirst die Konsequenzen Deiner eigenen Handlungen erleiden müssen.

75 III. 55. ved kahe sargun ke âge
DIE Veden sagen, daß der Unkonditionierte jenseits der Welt der Konditionierten steht.
Oh Weib, wozu ist es Dir nütze, darüber zu streiten, ob er jenseits allem ist oder in allem ist?
Siehe Du alles als Deinen Wohnort an: Der Nebel der Freude und des Leides kann dort niemals ausgebreitet sein.
Dort ist Brahma offenbart Tag und Nacht: Dort ist Licht sein Mantel, Licht ist sein Sitz, Licht ruht auf seinem Haupt.
Kabîr sagt: "Der wahre Herr, Er ist das ganze Licht."

76 III. 48. tû surat nain nihâr
ÖFFNE Deine Augen der Liebe und sehe Ihn, der diese Welt durchdringt!
Betrachte es sorgfältig und wisse, daß dies Dein eigenes Land ist.
Wenn Du den wahren Lehrer triffst, wird er Dein Herz erwecken;
Er wird Dir das Geheimnis der Liebe und der Entsagung verraten und dann wirst Du wirklich wissen, daß Er dieses Universum durchdringt.
Diese Welt ist die Stadt der Wahrheit, seine Irrwege verzaubern das Herz:
Wir können das Ziel erreichen ohne den Weg zu gehen, solches Vergnügen ist ohne Ende.
Wo der Reigen aus vielfältigen Freuden immer um Ihn herum tanzt, dort ist das Vergnügen der ewigen Wonne.
Wenn wir dies wissen, dann ist all unserer Hehlerei und Ablehnung vorüber;
hinfort wird uns die Hitze des Besitzens niemals mehr verbrennen.
Er ist die letztliche, grenzenlose Ruhe: Er hat seine Form der Liebe ausgebreitet überall in der Welt.
Von diesem Strahl, der die Wahrheit ist, sind Ströme neuer Formen unaufhörlich in Bewegung: und Er durchdringt diese Formen.
Alle Gärten, Wälder und Lauben sind gefüllt mit Blüten; und die Luft teilt sich weiter in Wellen der Freude.
Dort spielt der Schwan ein wundervolles Spiel, dort umwirbelt die nicht gespielte Musik Ihn - den Unendlichen;
Dort in der Mitte scheint der Trohn des Unfassbaren auf dem das große Wesen sitzt.
Millionen von Sonnen sind Schatten gegen das Strahlen eines einzigen Haares seines Körpers.
Auf der Harfe des Weges - was für wahre Melodien sind am Erklingen! Und seine Noten durchstechen das Herz:
Dort sprudelt der ewige Brunnen seinen endlosen Lebensstrom aus Geburt und Tod.
Sie nennen ihn die Leerheit, welcher die Wahrheit der Wahrheiten ist, in welchem alle Wahrheiten bewahrt werden!
Dort in seinem Inneren geht die Schöpfung voran, sie ist jenseits aller Philosophie; weil Philosophie Ihn nicht erreichen kann:
Dort ist eine endlose Welt, Bruder!
Und dort ist das namenlose Wesen von dem nichts gesagt werden kann.
Keine Form, kein Körper, keine Länge, keine Weite ist dort zu sehen: Wie kann ich Dir sagen, das, was es ist?
Er kommt zum Weg des Unendlichen auf welchem die Gunst des Herrn niedergeht:
Der ist befreit von Geburten und Toden, der Ihn erreicht.
Kabîr sagt: "Es kann nicht mit Worten gesagt werden, es kann nicht auf Papier geschrieben werden.
Es ist wie ein stummer Mensch, der etwas Süßes schmeckt - wie soll es erklärt werden?".

77 III. 60. cal hamsâ wâ des' jahân
Oh mein Herz! Lasse uns in das Land gehen wo der Geliebte wohnt, der Entführer meines Herzens!
Dort füllt die Liebe ihre Krüge aus der Urquelle, doch hat sie kein Seil um daraus Wasser zu schöpfen;
Dort bedecken keine Wolken den Himmel, doch fällt Regen hernieder in milden Schauern:
Oh Du Körperloser! Setz Dich nicht auf die Türschwelle; gehe hinaus und bade Dein Selbst in dem Regen!
Dort ist immer das Mondlicht und es ist niemals dunkel; und - wer spricht nur von einer Sonne?
Das Land ist erleuchtet mit den Strahlen von Millionen von Sonnen.

78 III. 63. kahain Kabîr, s'uno ho sâdho
KABÎR sagt: "Oh Sadhu! Höre meine unsterblichen Worte; wenn Du Deinen eigenen Vorteil suchst, prüfe und überlege es gut.
Du hast Dich abgewandt vom Erzeuger, dem Du entsprungen bist,
Du hast deinen Sinn verloren, Du hast den Tod gekauft.
Alle Grundsätze und alle Lehren sind aus ihm entsprungen; von Ihm gedeien sie:
Sei Dir dessen gewiß bewußt und habe keine Angst.
Höre von mir die Botschaft dieser großen Wahrheit!
Wessen Namen singst Du und auf wen konzentrierst Du Dich?
Oh, entkomme dieser Verwirrung!
Er verweilt im Herzen aller Dinge, warum also nimmst Du Zuflucht in leerer Einöde?
Wenn Du den Lehrer in einem Abstand von Dir hältst:
Wenn der Herr tatsächlich weit weg ist, wer ist es denn sonst, der diese Welt erzeugt hat?
Wenn Du denkst, daß er nicht hier ist, dann wanderst Du weiter und weiter fort und suchst Ihn vergebens unter Tränen.
Wo Er weit weg ist, dort ist er unerreichbar; wo Er nahe ist, ist er eine Wonne.
KABÎR sagt: "Damit sein Diener nicht Schmerz ertragen muß, durchdringt er ihn durch und durch".
Erkenne Dich dann selbst, Oh Kabîr; denn Er ist in Dir von Kopf bis Fuß.
Singe mit Freude und nimm Platz in dem unerschütterlichen Sitz in Deinem Herzen.

79 III. 66. nâ main dharmî nahîn adharmî
ICH BIN weder fromm noch gottlos,
Ich lebe weder nach Geboten noch nach Sinn,
Ich bin weder eine Sprecher noch ein Zuhörer,
Ich bin weder ein Diener noch ein Herr,
Ich bin weder gebunden noch frei,
Ich bin weder anhänglich noch losgelöst.
Ich bin zu niemand auf Distanz: Ich bin niemand nahe.
Ich werde weder zur Hölle gehen noch zum Himmel.
Ich mache alle Arbeiten, doch bin ich von allen Arbeiten getrennt.
Wenige begreifen meinen Sinn: Der, der es begreift, bleibt gelassen.
Kabîr trachtet weder nach der Herstellung, noch nach der Zerstörung.

80 III. 69. satta nâm hai sab ten nyârâ
DER wahre Name ist wie kein anderer Name!
Der Unterschied zwischen dem Konditionierten und dem Unkonditionierten ist nur ein Wort:
Das Unkonditionierte ist der Same, das Konditionierte ist die Blüte und die Frucht.
Erkenntnis ist der Zweig und der Name ist die Wurzel.
Schau hin und siehe wo die Wurzel ist:
Glückseligkeit wird Dein Sein, wenn Du zu den Wurzeln kommst.
Die Wurzel wird Dich zu den Zweigen führen, dem Blatt, der Blüte und der Frucht:
Es ist die Begegnung mit dem Herrn, es ist die Erlangung von Wonne,
Es ist die Aussöhnung des Konditionierten mit dem Unkonditionierten.

81 III. 74. pratham ek jo âpai âp
IM Anfang war Er allein, Er genügte sich selbst:
Das Formlose, das Farblose und unkonditionierte Sein.
Es war weder Anfang noch Mitte, noch Ende;
Es gab keinen Anblick, keine Dunkelheit, kein Licht;
Es gab weder Boden, Luft, noch Himmel; Feuer, Wasser, noch Erde; keine Flüsse wie den Ganges oder den Jumna, keine Meere, Ozeane oder Wellen.
Es gab weder Laster noch Tugend; Schriften gab es nicht wie die Veden und Paranas, oder den Koran.
Kabîr überlegt sich seinem Verstand und sagt:
"Es gab keine Aktivität: Das Höchste Sein blieb verschmolzen in der unbekannten Tiefe seines eigen Selbstes".
Der Lehrer ißt nicht, noch trinkt er, weder lebt er, noch stirbt er:
Weder hat Er Form, Hemd, Farbe oder Kleidung.
Er, der weder einer Kaste angehört, noch einem Clan, noch irgend etwas - Wie soll ich seine Herrlichkeit beschreiben?
Er hat weder Form noch Formlosigkeit,
Er hat keinen Namen,
Er hat weder Farbe noch Farblosigkeit,
Er hat keinen Ort, wo er wohnt.

82 III. 76. kahain Kabîr vicâr ke
KABÎR überlegt und sagt: "Er, der weder eine Kaste noch ein Land hat, der formlos ist und ohne Eigenschaft, füllt allen Raum."
Der Hervorbringer brachte das Spiel der Freude in das Sein:
Und das Hervorgebrachte ist dem Om entsprungen.
Die Erde ist Seine Freude; Seine Freude ist der Himmel;
Seine Freude ist das Leuchten der Sonne und des Mondes;
Seine Freude ist der Anfang, die Mitte und das Ende;
Seine Freude ist Anblick, Dunkelheit und Licht.
Ozeane und Wellen sind Seine Freude: Seine Freude ist Sarasvati, der Jumna und der Ganges.
Der Lehrer ist Eins: und Leben und Tod, Vereinigung und Trennung, sind alle Seine Spiele der Freude!.
Sein Spiel, das Land und das Wasser, das ganze Universum!
Sein Spiel, die Erde und der Himmel!
Im Spiel wird die Hervorbringung ausgebreitet, im Spiel wird es begründet.
Die ganze Welt, sagt  Kabîr, ruht in Seinem Spiel, doch bleibt der Spieler unerkannt.

83 III. 84. jhî jhî jantar bâjai
DIE Harfe gibt murmelnde Musik von sich; und der Tanz geht weiter ohne Hände und Füße.
Ohne Finger wird sie gespielt, ohne Ohren ist sie zu hören: Denn Er ist das Ohr und Er ist der Hörer.
Das Tor ist geschlossen, aber darinnen ist Wohlgeruch: und das Treffen dort sieht niemand.
Der Weise wird es verstehen.

84 III. 89. mor phakîrwâ mângi jây
DER Bettler hat kein Verlangen, aber Ich kann nicht einmal seine Sichtweise erfassen.
Und was soll ich erbetteln vom Bettler, das er mir gibt ohne mein Fragen?.
Kabîr sagt: "Ich bin Sein Eigentum: lasse sich das ereignen, welches sich ereignen mag!"

85 III. 90. naihar se jiyarâ phât re
MEIN Herz ruft laut nach dem Zuhause meines Geliebten;
Die offene Straße und die Unterkunft unter einem Dach sind das Einzige für sie, welche die Stadt ihres Gemahls nicht mehr bewohnt.
Mein Herz findet keine Freude in irgend etwas: Mein Verstand und mein Körper sind verwirrt.
Sein Palast hat Millionen Tore, aber da ist ein unermeßlicher Ozean zwischen ihm und mir:
Wie soll er überquert werden, mein Freund?
Gar endlos ist die Weite auf dem Weg.
Wie wunderbar ist das, was die Laute hervorbringt!
Wenn seine Saiten richtig gezupft werden, wird das Herz rasend:
Aber wenn die Tonart verlassen wird, und die Saiten entspannt sind, achtet dem niemand mehr.
Ich sagte zu meinen Eltern unter Gelächter, daß ich morgens zu meinem Herrn gehen muß.
Sie sind verärgert über mich, sie wollen nicht, daß ich gehe und sagen:
"Sie denkt, sie hat ihre Herrschaft über ihren Gemahl so gestärkt, daß sie haben kann, was immer sie wünscht;
deswegen ist sie ungeduldig zu ihm zu gehen".
Lieber Freund, lüfte meinen Schleier jetzt ohne Mühe, denn dies ist die Nacht der Liebe.
Kabîr sagt: "Hör' mir zu! Mein Herz ist ungeduldig, daß es meinen Geliebten trifft. Ich liege schlaflos auf meinem Bett.
Denke an mich morgens in der Frühe."

86 III. 96. jîv mahal men S'iv pahunwâ
DIENE Deinem Herrn, welcher in diesen Tempel des Lebens gekommen ist!
Spiele nicht die Rolle eines Idioten, denn die Nacht schwillt schnell.
Er hat mich erwartet seit unzähligen Zeiten; um mich zu lieben hat er sein Herz verloren:
Noch kannte ich nicht die Wonne, die mir so nah war, denn meine Liebe war noch nicht erwacht.
Aber nun hat mein Geliebter mir den Ton bewußt gemacht, der in meinem Ohre schlägt:
Nun ist mein Glück gekommen.
Kabîr sagt: "Siehe! Wie groß ist mein Glück! Ich habe die nicht endende Liebkosung meines Geliebten erfahren!"


87 I. 71. gagan ghatâ ghaharânî, sâdho
HÖRST Du dieses tiefe Donnern aus den dicken Wolken oben dort?
Regen kommt von Westen näher, spült die Erde murmelnd, prasselnd fort.
Achte auf die Feldergrenzen, daß der Regen sie nicht jäh verdrängt.
Hege Acker und den Boden, der die Früchte nach der Ernte schenkt.
Kriechende der Liebe und Verzichter saugen diesen Schauer ein.
Nur der kluge Farmer bringt am Ende eine gute Ernte ein,
Füllt die Speicher - wird Ernährer für die Heiligen und Weisen sein.

DUNKLE Wolken, schwer von Regen, nah'n von Westen. Donner hallt.
Dicke Tropfen prasseln nieder, platschen gegen Häuserwände.
Regen kann auch 'was zerstören, wischt Grenz-Steine einfach fort.
Erdenboden will umhegt sein. Sprossen wachsen in der Liebe
durch Exstase und Entsagung. Regen nährt die beiden Triebe.
Nur der kluge Farmer bringt die Ernte heim zu seinem Ort,
füllt die Speicher voll Getreide, nährt die Weisen wie die Heiden
auch die großen heil'gen Seelen müssen keinen Hunger leiden.

88 III. 118. âj din ke main jaun balihârî
DIESER Tag ist lieb zu mir, mehr als alle anderen Tage,
Denn heute ist der geliebte Herr Gast in meinem Haus;
Meine Kammer und mein Hof sind schön mit Seiner Anwesenheit.
Meine Sehnsüchte singen seinen Namen, und sie verschwinden in Seiner großen Schönheit:
Ich wasche seine Füße und ich schaue auf zu seinem Gesicht;
Und ich liege vor Ihm als eine Darbringung meines Körpers, meines Verstandes und allem, was ich habe.
Was für ein Tag der Freude ist der Tag an dem mein Geliebter, mein Schatz, in mein Haus kommt!
Alle Übel fliehen aus meinem Herzen, wenn ich meinen Herrn sehe.
"Meine Liebe hat ihn berührt; mein Herz sehnt sich nach dem Namen, der Wahrheit ist."
Daher singt Kabîr, der Diener aller Diener.

89 I. 100. kôi s'untâ hai jñânî râg gagan men
GIBT es irgendeinen weisen Mann der willens ist der erhabenen Musik zu lauschen, die am Himmel aufsteigt?
Denn Er, die Quelle aller Musik füllt alle Gefäße und ruht selbst in der Fülle.
Der, der im Körper ist, ist immer durstig, durstig nach dem, dessen Teil er ist:
Indessen setzt sich unaufhörlich tiefer und tiefer der Klang weiter fort:
"Er ist dies - dies ist Er"; Verschmelzung von Liebe und Entsagung zu Einem.
Kabîr sagt: "Oh Bruder! Das ist die wesentliche Welt."

90 I. 108. main kâ se bûjhaun
ZU wem soll ich gehen, zu wem?
Zu lernen den Geliebten - Ihn?
Ihn zu erlernen, wenn er gefragt?
Zu wem soll ich ich gehen! Kabîr sagt:
"So wie Du nie den Wald erkennst,
solange Du den Baum verkennst,
Kannst Du Ihn nie als Ihn erkennen
durch Beschreiben und benennen."

91 III. 12. samskirit bhâshâ padhi lînhâ
ICH habe das Sanskrit gelernt, jetzt können alle Menschen mich einen Weisen nennen.
Aber was ist der Nutzen davon, wenn ich dem Schicksal Preis gegeben bin,
Vor Durst verschmachte und verbrenne in der Hitze meiner Wünsche?
Zu keinem Zweck trägst Du auf Deinem Kopf diese Last aus Stolz und Eitelkeit.
Kabîr sagt: "Lege es nieder in den Staub und gehe weiter, um den Geliebten zu treffen.
Spreche Ihn an als Deinen Herrn."

92 III. 110. carkhâ calai surat virahin kâ
DIE Frau, die getrennt ist von ihrem Geliebten, spinnt an ihrem Spinnrad.
Die Häuser des Körpers erscheinen in ihrer Schönheit und in ihnen ist der Palast des Verstandes gebaut.
Das Rad der Liebe dreht am Himmel und der Sitz ist aus Juwelen des Wissens gemacht.
Welch feine raffinierte Fäden webt die Frau mit ihrer Liebe und Verehrung.
Kabîr sagt: "Ich webe die Girlande von Tag und Nacht.
Wenn mein Geliebter kommt und berührt mich mit seinen Füßen, werde ich ihm meine Tränen anbieten."

93 III. 111. kotîn bhânu candra târâgan
UNTER dem großen Schirm meines Königs scheinen Millionen von Sonnen, Monde und Sterne.
Er ist der Geist innerhalb meines Verstandes: Er ist das Auge in meinem Auge.
Ach könnte mein Verstand und mein Auge Eins sein!
Könnte meine Liebe dennoch meinen Geliebten erreichen!
Könnte dennoch die brennende Hitze meines Herzens kühlend sein!
Kabîr sagt: "Wenn Du die Liebe vereinigst mit dem Geliebten, dann hast Du die Vollendung der Liebe."

94 I. 92. avadhû begam des' hamârâ
OH SADHU! Mein Land ist ein sorgenloses Land.
Ich schreie laut zu allen, zum König und dem Bettler, dem Kaiser und dem Fakir --
Wer auch immer im Höchsten sein Obdach sucht, lasse sie alle kommen und sich niederlassen in meinem Land!
Lasse die Müden und Erschöpften kommen und ihre Last hier niederlegen!
So lebe hier, mein Bruder, auf daß Du mit Leichtigkeit das anderer Ufer überquerst.
Es ist ein Land ohne Erde oder Himmel, ohne Mond oder Sterne;
Denn nur die Strahlen der Wahrheit leuchten im in der großen Halle des Palastes meines Herrn.
Kabîr sagt: "Oh geliebter Bruder! Nichts ist wesentlich als die Wahrheit zu wahren!"

95 I. 109. sâîn ke sangat sâsur âî
MIT meinem Herrn kam ich in sein Haus, aber ich lebte nicht mit Ihm und ich lernte Ihn nicht kennen und meine Jugend verging wie im Traum.
In meiner Hochzeitsnacht sang mein weiblicher Freund im Chor und ich war gesalbt durch die Salben aus Freude und Leid.
Als aber die Zeremonie vorüber war, habe ich meinen Herrn verlassen.
Ich ging fort und meine Verwandten versuchten mich zu trösten auf dem Weg.
Kabîr sagt: "Ich werde zum Hause meines Herrn gehen mit meiner Liebe an meiner Seite;
Dann werde ich den Triumph auf der Trompete erschallen lassen."

96 I. 75. samajh dekh man mît piyarwâ
OF FREUND, mein liebes Herz, bedenke es gut! Wenn Du wirklich liebst, warum schläfst Du dann?
Wenn Du Ihn gefunden hast, dann gebe Dich ganz hin und nehme Ihn zu Dir.
Warum verlierst Du Ihn wieder und immer wieder?
Wenn der tiefe Schlaf der Ruhe in Deine Augen kommt, warum vergeudest Du Deine Zeit damit das Bett zu machen und das Kopfkissen zu richten?
Kabîr sagt: "Ich erzähle Euch die Wege der Liebe! Selbst wenn der Kopf fort gegeben werden muß, warum solltest Du Du darüber weinen?"

97 II. 90. sâhab ham men, sâhab tum men
DER Herr ist in mir, der Herr ist in dir, wie Leben in jedem Samen ist.
Oh Diener! Tue Deinen falschen Stolz beiseite und suche Ihn in Deinem Inneren.
Millionen Sonnen erstrahlen in ihrem Lichterglanz. Ein Meer von Blau erstreckt sich über den Himmel.
Das Fieber des Lebens ist gestillt und alle Steine sind fortgewaschen, wenn ich inmitten dieser inneren Welt sitze.
Höre den ungeschlagenen Glocken und Trommeln zu! Nehme das Vergnügen wahr in Liebe.
Eine Liebe ist es, die die ganze Welt durchdringt, wenige sind es, die sie ganz wissen:
Blind sind jene, welche hoffen sie im Lichte der Vernunft zu sehen, jene Vernunft, die Trennung verursacht,
Aber das Haus der Vernunft ist sehr weit weg!
Wie gesegnet ist Kabîr, daß er inmitten dieser großen Freude in seinem eigenen Inneren singt.
Es ist die Musik wo sich Seele und Seele trifft. Es ist die Musik, wo die Sorgen vergessen sind.
Es ist die Musik die alles, das herein kommt und alles, das wieder geht, transzendiert.

98 II. 98. ritu phâgun niyarânî
DER Monat März kommt näher: Ah, wer will mich vereinigen mit meinem Herrn?
Wie soll ich für die Schönheit meines Geliebten Worte finden? Denn er ist verschmolzen in aller Schönheit.
Seine Farbe ist in allen Bildern dieser Welt und sie verzaubert den Körper und den Verstand.
Jene, die dieses wissen, wissen was das unbeschreibbare Spiel des Frühlings ist.
Kabîr sagt: "Höre mir zu Bruder, es sind deren nicht viele die dieses erkannt haben."

99 II. 111. Nârad, pyâr so antar nâhî
OH Narad! Ich weiß mein Geliebter kann nicht weit sein:
Wenn mein Geliebter wacht, wache auch Ich; wenn er schläft, schlafe auch Ich.
Er ist am Boden zerstört, welches meinen Geliebten schmerzt.
Wo sie Sein Lob singen, dort lebe ich;
Wenn er sich bewegt, dann gehe ich vor Ihm her: Mein Herz schmachtet nach meinem Geliebten.
Die unendliche Wallfahrt liegt zu seinen Füßen, eine Millionen Andächtige sitzen dort.
Kabîr sagt: "Der Liebende Selbst offenbart die Pracht der wahren Liebe."

100 II. 122. kôî prem kî peng jhulâo re
HEUTE hänge die Schaukel der Liebe auf!
Hänge den Körper auf und Verstand, zwischen den Armen des Geliebten, in der Ekstase der Freude der Liebe:
Bringe die tränenden Ströme von Regenwolken in Deine Augen und bedecke Dein Herz mit dem Schatten der Dunkelheit:
Bringe Dein Gesicht näher an Sein Ohr und spreche aus tiefster Sehnsucht Deines Herzens.
Kabîr sagt: "Höre mir zu, Bruder! Bringe die Vision des Geliebten in Dein Herz."


 

 © Copyright  Deutsche Übersetzung und Aquarelle Volker Doormann  

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